Schicksal ist ein schweres Wort. Aber wenn jemand gegen seinen Willen einem Sport verfällt, wenn Mitglieder des US-Biathlon Teams in Stockholm breitestes Bayrisch sprechen und sich zwei Underdogs gegenseitig beflügeln – dann kann man ruhig einmal von Schicksal sprechen. Bei der Geschichte von Maloja und USA Biathlon kann man das getrost. Sie ist so besonders wie der Biathlonsport. Hier geht es um Gefühle – und darum, was Bekleidung mit dem Kopf machen kann.
Schicksal ist ein schweres Wort. Aber wenn jemand gegen seinen Willen einem Sport verfällt, wenn Mitglieder des US-Biathlon Teams in Stockholm breitestes Bayrisch sprechen und sich zwei Underdogs gegenseitig beflügeln – dann kann man ruhig einmal von Schicksal sprechen. Bei der Geschichte von Maloja und USA Biathlon kann man das getrost. Sie ist so besonders wie der Biathlonsport. Hier geht es um Gefühle – und darum, was Bekleidung mit dem Kopf machen kann.
Ausdauer, Technik, Präzision. Schliff, Wachs, Material. Der Körper, der Kopf. Beim Biathlon muss alles passen. Biathlon ist eine anspruchsvolle Sportart. Eine der verrücktesten und eine der mitreißendsten. Genau deshalb ist es die Sportart von Clare Egan. Die US-Biathletin liebt die Herausforderung und sie liebt die Vielseitigkeit.
Clare zieht generell ihre Kraft aus der Abwechslung. Sie ist ein Multitalent: Top 20-Läuferin, Vorsitzende des IBU Athletenkomitees und studierte Linguistin. Sechs Sprachen spricht sie. Clare ist ein Kopfmensch. Und das ist in einer mental so fordernden Sportart nicht unbedingt von Vorteil. Weder in der Loipe und schon gar nicht am Stand sollten sich Selbstzweifel einschleichen. Hier geht es um das feste Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten. Und das, sagt Clare, ist gar nicht so einfach aufrechtzuerhalten, wenn man der Underdog ist.
Ein Team mit Charakter
Die USA sind der David des Biathlonsports. Die erfolgreichen Skandinavier, Deutschen, Franzosen sind Stars in ihren Heimatländern. Die US-Biathleten nicht einmal Sternchen. Aber sie bringen viel Ehrgeiz und Herzblut mit, eine gehörige Portion Lässigkeit und Spaß. Die Amis sind beliebt im Biathlon-Zirkus – aber damit erläuft man sich keine Medaille.
„Die anderen Teams haben ihre gebrandeten Autos und wir kamen immer mit irgendwelchen billigen Leihwägen daher“, erzählt Clare. „Unser Auftritt war alles andere als professionell.“ Bis zum Jahr 2018. Da wurde eine kleine bayerische Marke Bekleidungssponsor des kleinen US-Teams.
Seit November 2018 tritt die US-Mannschaft in Maloja an – und seitdem steht das Team (buchstäblich) anders da.
„Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber Maloja als Sponsor zu haben, hat uns wirklich verändert. Es war so ein Push für unser Selbstbewusstsein, für unser Selbstverständnis als Team. Plötzlich waren wir eine Einheit, wurden anders wahrgenommen und stachen heraus. Ständig hat man uns auf unsere Bekleidung angesprochen. Wir Außenseiter trugen plötzlich die Sachen, die die Top-Teams gerne tragen würden.
Und dann hat Maloja uns noch Autos organisiert und sie professionell gebrandet. Das hat viel mit unseren Köpfen, mit unserer Eigenwahrnehmung gemacht – und sich auch auf unsere sportliche Leistung übertragen.“
Wie alles begann
Aber wie kam es zu dem Zusammenschluss der beiden Underdogs? Dafür muss man zurückspulen in das Jahr 2013. Peter Räuber, Mitgründer von Maloja, zwingt sein Knie dazu, das Snowboarden aufzugeben. Und das zieht ihm sportlich den Boden unter den Füßen weg. Peter leidet. Es ist Gheorge Catrici, der ihn wieder mühsam aufrichtet. Sein Freund „Schorsch“ ist eine prägende Figur in Peters Leben. Der gebürtige Rumäne ist sein großes sportliches Vorbild – bis auf die Sache mit den dünnen Skiern. Schorsch hält Peter Carbon-Langlaufskier vor die Nase. Der lächelt müde und antwortet, wie ein cooler Snowboarder eben antwortet: Er könne ihm mit dem Langlaufen gestohlen bleiben. Aber Schorsch bleibt hartnäckig. Irgendwann ist die Kombination aus Schorschs Beharrlichkeit und dem Drang nach Bewegung zu groß. Peter quält sich, merkt, wie wenig die Kraft zählt und wie entscheidend die komplexe Technik ist. Peters Ehrgeiz wächst. Er beginnt zu trainieren, feilt am Laufstil – und verfällt dem Sport.
Im Jahr 2016 nimmt Schorsch – inzwischen Chef des moldawischen Skiverbands – Peter mit zum Biathlon-Weltcup nach Östersund. Der fügt sich nur widerwillig. Er reist nicht gern. Aber sein Freund ist schwerkrank. Seit Jahren kämpft Schorsch gegen den Krebs. Peter will an der Seite seines Freundes sein, seine womöglich letzte Reise mit ihm unternehmen. Die Tage im hohen Norden nutzt Peter für ein Treffen mit der schwedischen Nationalmannschaft, die auf der Suche nach einem neuen Ausrüster ist. Man ist sich zwar sympathisch, doch die Vorstellungen des großen Teams aus Schweden sprengt das Budget der kleinen bayerischen Marke um Längen.
Bavarian Connection
Auf der Rückreise fängt Peter am Stockholmer Flughafen vertraute Wortfetzen auf. Zwei Männer in US-Biathlonbekleidung sitzen ihm gegenüber – und unterhalten sich im feinstem Bayerisch. Peter spricht die „US-Boys“ an. Amerikaner seien sie zwar nicht, antworten die beiden, aber das Bayerische passe gut zum US-Biathlon-Spirit – und Maloja würde das auch. Eine außergewöhnliche Marke brauche ein außergewöhnliches Team. Und das seien die US-Biathleten. Underdogs, mit viel Herz für den Sport, viel Kampfgeist und viel Lebensfreude.
Man stellt sich vor. Bernd Eisenbichler, seit 1999 für den amerikanischen Biathlonverband tätig, ist Chief of Sport, Christian Sieler, Betreuer und Skitechniker der US-Mannschaft. Manchmal sind die Dinge einfach. Oder offensichtlich. Am Montag darauf steht der Präsident der US-Biathleten, Max Cobb, mit Bernd in einem umgebauten Bauernhof in Rimsting nahe dem Chiemsee – dort ist Maloja zu Hause. Schnell ist klar, dass das kleine US-Team zukünftig Maloja tragen wird. Im großen Biathlon-Zirkus haben sich zwei Underdogs gefunden.