Autor: Sissi Pärsch | Fotos: Adventure Bakery | 09. April 2024

1.082 Kilometer durch die Pyrenäen.

Philipp Reiter plant die Pyrenäen mit Tourenski zu durchqueren. Doch die Trockenheit macht ihm einen Strich durch die Rechnung. In Zeiten des Klimawandels werden die 1.082 Kilometer zu einer Multisport-Unternehmung – geprägt von grandiosen und von ernüchternden Eindrücken.

Philipp Reiter plant die Pyrenäen mit Tourenski zu durchqueren. Doch die Trockenheit macht ihm einen Strich durch die Rechnung. In Zeiten des Klimawandels werden die 1.082 Kilometer zu einer Multisport-Unternehmung – geprägt von grandiosen und von ernüchternden Eindrücken.




„Die Vision ist da. Der Schnee nicht.“

Der Bad Reichenhaller Philipp Reiter war Profi-Skibergsteiger, der jüngste Transalpine Runner, hat die Seven Summits der Alpen in fünf Tagen auf Ski bestiegen und hält den Rekord in der Watzmann-Ostwand. Inzwischen hat er sich vom Wettkampfleben verabschiedet und arbeitet als Fotograf. Auch seine Projekte haben einen neuen Fokus erfahren. Im Vordergrund steht für ihn heute weniger die Zeit als das Erlebnis und die Botschaft dahinter.

Im Februar 2024 machte er sich mit dem österreichischen Athleten Jakob Herrmann auf, um mit Gravelbike, zu Fuß und mit Tourenski, die Pyrenäen von Ost nach West, vom Mittelmeer bis zum Atlantik zu durchqueren. Nach 12 Tagen, 1.082 Kilometern (910 auf dem Rad, 122 auf Ski, 50 zu Fuß) und 26.800 Höhenmetern berichtet er von seinen Eindrücken.

Philipp, wie entstand der Gedanke, die Pyrenäen zu durchqueren?

Vorausgegangen war 2018 meine Durchquerung der Alpen in 36 Tagen von Wien nach Nizza mit den Skiern beim „Red Bull Der Lange Weg“. Es war ein irres Event und ich habe Gegenden gesehen, in die ich niemals gekommen wäre. Das war für mich sehr prägend und ich wollte gerne wieder etwas in diese Richtung machen. Allerdings auf meine Art. Mit Zeit, die Landschaft, die Menschen wahrzunehmen und auf die Gegebenheiten einzugehen.

Wenn man dann auf die Karte schaut und seinen Blick von den Alpen abrückt, sind die Pyrenäen sehr prägnant. Sie sind nicht zu weit weg und trotzdem etwas exotisch. Der ursprüngliche Plan für die Durchquerung sah allerdings anders aus.

Und zwar?

Zu der Tour inspiriert haben uns Franzosen, die die Durchquerung in den 60er Jahren über drei Monate zu Fuß, mit Skiern und Zelt gemacht haben. Wir fanden dann noch heraus, dass ein Sportler aus Andorra die Strecke vor 24 Jahren in 12 Tagen geschafft hat. Wir wollten allerdings nicht schauen, wie schnell es geht. Wir haben die sportliche Herausforderung gesucht, aber vor allem ging es auch darum, eine neue, noch recht wilde Landschaft zu erleben.

Wir wollten es dann schon letztes Jahr machen, aber es lag zu wenig Schnee in den Pyrenäen. Und 2024? War es noch weniger! Die Vision war da, der Schnee nicht. Wir wollten aber nicht mehr verschieben. Uns wurde klar, wir müssen uns dem Klimawandel und damit den Gegebenheiten anpassen. Zu Fuß auf diesen weiten Distanzen, das hätte ewig gedauert. So ist die Ski-Rad-Kombi entstanden.

Zunächst hatten wir Sorge, dass der worst case eintritt und es dennoch schneit – zu viel Schnee fürs Radl zu wenig für Skitour. Genau so war die Vorhersage. Aber dann kam es doch anders: Bis Andorra war es trocken.

Für das Projekt gut, aber für Dich als Mensch sehr verstörend, oder?!

Trocken bedeutet regelrecht staubig, Flüsse und Seen ohne Wasser. Wir standen auf 2.800 Meter und es war kein Fitzelchen Schnee um uns. Dazu gab es heftige Stürme und dann in Gavarnie Regen auf 2.300 Metern. Ein Stück weiter unten im Skigebiet sind die Menschen auf einem weißen Strich in der grünen Landschaft rumgerutscht. Zum Teil sogar auf einem hauchdünnen Schneefilm auf Asphalt. Dafür haben sie ein Skiticket gekauft – weil halt Winterferien sind und man das schon immer so gemach7t hat. Unter unseren Skiern schmilzt der Schnee weg und wir schauen nicht hin. Das ist absolut paradox und beschäftigt mich schon sehr intensiv.

Und gleichzeitig bist Du, sind wir alle, Teil davon.

Absolut. Wir konnten diese Situation einfach nicht fassen. Wie absurd. Und natürlich haben wir den Blick auf uns gerichtet. Wir haben auch Skier an. Und wir sind mit einem Produktionsteam unterwegs. Umweltfreundlich ist das nicht. Inwieweit bin ich bereit, mein Leben zu hinterfragen? Was kann, was will, was muss ich zurückschrauben?

Die Pyrenäen zu durchschreiten wie vor 60 oder noch vor 20 Jahren, das geht halt nicht mehr. Und genauso geht es nicht mehr, Skitouren von der Haustür meiner Oma im Berchtesgadener Land zu gehen wie früher. Diese Möglichkeiten nehmen ab, das ist die neue Realität. Es wird mir nicht meine Lebensgrundlage weggenommen, aber das, was mir Spaß macht. Und dafür bin ich mitverantwortlich.

Unser Fazit war die Aussage eines Locals: Das Atlasgebirge ist in die Pyrenäen gewandert – und wir in den Alpen haben inzwischen die Bedingungen wie noch in den Pyrenäen vor zehn Jahren.

Bei aller Ernüchterung: Die Bilder von Eurem Trip erzählen von erlebnisreichen Tagen und beeindruckenden Landschaften. Was bleibt Dir von den Pyrenäen an schönen Erinnerungen?

Vieles! Aufgrund des schlechten Wetters haben wir zum Beispiel einen Ruhetag eingelegt und eine “Cheverie” in Arreau besucht, wo 80 Ziegen die Milch für traditionellen Käse produzieren. 10 Liter Milch braucht man für 1 Kilogramm Käse und es ist noch richtig viel Handarbeit gefragt. Wir sind gewohnt im Supermarkt alles sofort zur Verfügung zu haben. Wir vergessen, woher die Produkte kommen und schätzen Lebensmittel dementsprechend wenig. Als eine Ziegenbaby direkt vor uns geboren wurde, war das schon sehr eindrücklich - zurück zum Ursprung, wortwörtlich.

Oder die herrliche Abfahrt vom Pic d’Anie in einem unglaublichen Sonnenuntergang. Im Anschluss dann der Aufstieg zum Sonnenaufgang auf La Rhune, dem westlichsten Gipfel der südfranzösischen Pyrenäen, von dem Jakob dann in Richtung Atlantik mit dem Gleitschirm runtergeflogen ist. Jeden Tag hat das Gebiet gewechselt, die Landschaft, die Vegetation, die Bauten und auch die Sprache. Von Katalonien über Andorra nach Spanien und dann ins Baskenland. Die Unterschiede auf doch recht kleinem Raum waren spannend zu erleben.