Tag 9 - 31.07. Sonntag: Alavus bis Liminka | 360 km | 0 hm | 14 Std. im Sattel
Nach dieser unruhigen Nacht mit wenig Schlaf geht es weiter durch die Wälder. Wir passieren kleine finnische Dörfer. Die nie enden wollenden Geraden machen meinen Kopf mürbe. Es ist ziemlich eintönig und die Gefahr, auf dem Rad einzuschlafen, ist enorm. Wir singen Lieder, um uns abzulenken und wach zu halten.
Heute tut mein Hintern besonders weh und ich sehne mich nach dem Ende dieser Etappe.
Eigentlich wollen wir bis Oulu kommen, aber schaffen es nicht ganz. Bei Liminka finden wir auf einem Kinderspielplatz eine kleine Hütte und schlagen darin unser Nachlager auf. Gegen die Kälte und den Dreck versuchen wir uns mit unseren Erste- Hilfe Rettungsdecken zu schützen. Aber es ist furchtbar kalt.
Tag 10 - 01.08. Montag: Liminka bis bis Sodankylä | 380 KM | 16 Std. im Sattel
Mein Schlafsack ist definitiv an seine Grenzen gekommen. Die Kälte und der Schlafmangel zehrt extrem an den Kräften.
Aber mit jedem KM, den wir hinter uns lassen, steigt die Motivation endlich ins Ziel zu kommen. Wir sind zudem eine ganze Woche schneller als ursprünglich geplant.
Heute geht es aber erst einmal zum vierten und letzten Checkpoint, auf den ich mich ganz besonders freue. Den letzten Stempel bekommen wir nämlich beim Weihnachtsmann in Rovaniemi. Leider ist er schon im Feierabend. Also kein Foto und kein Weihnachtswunsch.
Wir stärken uns im Restaurant Three Elves, laden Tracker und Handy auf und überlegen, wie wir am besten weiterfahren. Direkt hier übernachten und in der Früh weiter oder noch 130 km fahren. Wir entscheiden uns für’s Weiterfahren, um das Schönwetterfenster zu nutzen. Vor uns und hinter uns sieht es leider wettertechnisch gar nicht gut aus.
Während die Landschaft hinter Rovaniemi sichtlich karger wird, schaffen wir es bis nach Sodankylä und übernachten zum ersten Mal im Hotel. Draußen zu schlafen ist definitiv zu kalt.
Dunkel wird es jetzt übrigens gar nicht mehr und der „Sonnenuntergang“ mit rosaroten Wolken lässt sich eine ganze Weile bestaunen bis es schließlich heller wird.
Tag 11 + Tag 12 - 02. - 03.08. Dienstag + Mittwoch: Sodankylä bis zum Nordkap | 585 km | 3950 hm | 27 Std. im Sattel
Nach 4 Stunden Schlaf im warmen Hotel sind wir wieder bei Kräften.
Wir wollen es durchziehen bis ins Ziel. Vielleicht mit einer kleinen Schlafpause an der norwegischen Grenze. Da scheint es eine Tankstelle zu geben.
Am Straßenrand begleiten uns immer wieder Rentiere. Ein Einheimischer erzählt uns beim Kaffeestopp, dass es scheinbar mehr Rentiere in Finnland gibt als Einwohner. Das können wir bestätigen.
Das letzte Stück durch Finnland zieht sich ganz schön. Die Straßen sind endlos und öde. Sobald wir anhalten, werden wir von Moskitos aufgefressen.
Mitten im Nirgendwo passiert es dann: auf den letzten Kilometern kurz vor der Grenze muss Johannes das Rennen beenden. Mehrere Speichen an seinem Hinterrad sind gebrochen und machen ein Weiterfahren unmöglich. Es wäre tatsächlich leichter, an scharfe Munition zu kommen, als ein Hinterradspeiche aufzutreiben. Wir müssen ihn schweren Herzens zurücklassen.
Gegen Mitternacht erreichen wir zu Dritt die Grenze zu Norwegen. Die Tankstelle hat natürlich geschlossen, genauso wie das einzige Hotel. Wir sind unfassbar müde, sind aber gezwungen bis ins nächste Dorf weiterzufahren. Dort finden wir eine Bank mit Fußbodenheizung, in der wir uns für 30 min. hinlegen. Wir sind so kaputt.
Aber die Fahrt geht weiter. Auf der Strecke finden wir ein Hotel zum Frühstücken und Aufwärmen.
Für viele Kilometer folgen wir dem wunderschönen Porsangerfjord.
Eine Hürde steht uns aber noch bevor, vor der ich allergrößten Respekt habe: Wir müssen durch mehrere dunkle Tunnel, unter anderem dem Nordkapptunnel 6,8 km lang und 212m unter dem Meeresspiegel, hindurch. Die Tunnel sind kalt, sehr schlecht beleuchtet und feucht, wodurch sich Dunst bildet und wir für Autofahrer noch schlechter zu sehen sind. Ausserdem ist der Anstieg im Nordkapptunnel mit 10% nicht zu unterschätzen.
Es geht alles gut und wir kommen sicher auf der Insel Mageroya an, auf der sich der nördlichste Punkt Europas befindet.
Jetzt sind es noch 48 km und einige Höhenmeter ins Ziel. Wobei die Anstiege eine willkommene Abwechslung sind. Die Landschaft ist atemberaubend schön.
Tag 12: 18:30 Ortszeit: WIR HABEN ES GESCHAFFT. Katha und ich fahren als die ersten beiden Frauen ins Ziel. Oben werden wir mit Sekt empfangen und lassen am nördlichsten Punkt gemeinsam mit Alex und Johannes (der per Autostopp ins Ziel gekommen ist und auf uns gewartet hat) die Korken knallen. Auf uns und auf dieses unglaubliche Abenteuer.
Ich bekomm meine ganz persönliche Überraschung zum Anstoßen serviert: die beste Schokomilch Norwegens (wer mich kennt, weiß, wie sehr ich Schokomilch liebe).
Katha und ich geben noch ein gemeinsames Interview, ergattern diesmal einen Stempel und erhalten unsere Urkunden.
So sehr wir die letzten Tage auf die Zieleinfahrt hingefiebert haben, so traurig und wehmütig sind wir, dass das Abenteuer nun zu Ende ist.
Nach einer mega Portion Nudeln fallen wir in unserem AirBnB ins Bett, bevor es am nächsten Tag mit dem Flieger von Alta über Oslo zurück nachhause geht.